Dienstag, 7. Oktober 2014

Rezension: Im Hause Longbourn





Roman
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 448 Seiten, 13,5 x 21,5 cm 
ISBN: 978-3-8135-0616-7 
Verlag: Knaus 

Zum Buch:
Wieder einmal dürfen wir Liebe und Leid im Hause der Familie Bennet miterleben.
Die Geschichte erzählt allerdings das Leben der Bennets aus Sicht der jungen Sarah, Dienstmädchen im Hause Longbourn. Ihre mütterliche Vorgesetzte Hill, Köchin und Vertraute von Mrs Bennet, sowie das junge Mädchen Polly stellen die ganze Dienerschaft dar. Das Leben der Dienstboten ist hart aber familiär und wird von einem eingefahrenen Rhythmus bedingt. Nur unterbrochen von den besonderen Ereignissen im Leben der Familie Bennet.
Hill sorgt sich rührend um die beiden Mädchen und ist ihnen ein liebevoller Mutterersatz. 
Doch eines Tages wird der mysteriöse James als Kutscher und Hausdiener angestellt, was zwar Sarah in mancherlei Gefühlschaos stürzt, jedoch das Leben der weiblichen Dienerschaft etwas erleichtert!

Meine Meinung:
Wer kennt sie nicht, die Geschichte von Elizabeth Bennet und Fitzwilliam Darcy?
Hier jedoch wird vom Leben abseits der Herrschaftszimmer erzählt:

  • Wenn Elizabeth auf ihren Fußmärschen mal wieder ihre Petticoats durch den Dreck schleift, so ist es Sarah, die anschließend mühsam die Flecken herausschrubben muss, mit vor Kälte tauben Händen und rissiger Haut. 
  • Brauchen die Bennet-Mädchen Schuhrosen für den großen Ball, so ist es Sarah, die schnell nach Meryton eilen muss. 
  • Wollen Kitty und Lydia eine Frisur mit Locken, so verbrennt sich Sarah am heißen Lockeneisen die Finger. 
  • Kommt Mrs Bennets Schwester (Mrs Gardiner) mit ihren Kindern zu Besuch, müssen nicht nur mehr Personen bekocht, mehr Zimmer versorgt und mehr Wäsche gewaschen werden, es müssen auch noch Windeln mühsam ausgekratzt und ausgekocht werden.
  • Das Auftauchen von Mr Collins erregt nicht nur die Familie Bennet, sondern lässt auch die Dienerschaft, allen voran Hill, rotieren. Schließlich geht es auch um ihren Platz im Haus. Mr Collins soll sich so wohl fühlen, dass er die Dienerschaft mit dem angenehmen Aufenthalt im Hause verbindet und (irgendwann) übernimmt. Umso ärgerlicher ist es, dass Lizzie ihn abweist und die Chancen auf eine Übernahme der Dienerschaft durch Mr Collins schwinden. 
  • Gehen Briefwechsel zwischen Jane Bennet und Mrs Bingley hin und her, so bedeutet dies auch stets das Aufeinandertreffen der Dienerschaft beider Häuser. Besonders Ptolemy, vornehm livrierter, dunkelhäutiger Diener Mr Bingleys  flirtet ungehemmt mit Sarah und lässt sie von einem leichteren Leben in London träumen. Wenn da nur nicht James wäre, der sie so ärgerlich sorgsam ignoriert und doch immer in ihrer Nähe ist…
Das Buch hat drei Abschnitte. ein großer Teil spielt im Hause der Familie Bennet, das Leben von James, bevor er dort Diener wurde wird erzählt und das Leben Sarahs außerhalb des Hauses Longbourn.
Ich fand es sehr mutig, ein Buch über einen solchen Klassiker wie „Stolz und Vorurteil“ zu schreiben. Auch wenn die Geschichte eine andere Sicht der Dinge beschreibt, hängt sie doch eng mit dem Original zusammen. Doch weil „Stolz und Vorurteil“ zu meinen absoluten Lieblingsbüchern zählt, war ich sehr gespannt auf Sarahs Geschichte.

Die Erzählung fließt dann auch wundervoll dahin und knüpft sehr schön an Janes und Elizabeths Geschichte an. Herrlich sind Sarahs kurze Begegnungen mit Mr Darcy, welcher Sarah völlig ignoriert, sie aber im Gegenzug nachhaltig beeindruckt und sie mutmaßen lässt, er müsse einem Geschlecht von Riesen entsprungen sein. Die Geschichte ist zauberhaft, wenn auch zeitgemäßer erzählt. Jane Austen hätte wohl niemals geschrieben, was Sarah alleine mit ihren erotischen Gefühlen Abends im Bett anstellt. Doch solche Dinge sind selten und haben mich nur kurz gestört. Was mich wirklich geärgert hat ist, dass Jo Baker bestehenden Figuren des Originals eine Geschichte anhängt, die zwar in die Zeit passt, aber für mich völlig unnötig ist. Das Buch ist wunderschön, aber Original Figuren sind für mich ein Tabu.

Sarahs Gefühlschaos steht denen der Bennet-Töchter allerdings in nichts nach, und solange die Geschichte an das bekannte Leben Elizabeths anknüpft, gefällt sie mir richtig gut. 
Der Teil über James Leben und der letzte Teil des Buches in Pemberley (mit Mr und Mrs Darcy) haben mir jedoch etwas weniger gefallen, besonders die verheiratete Elizabeth.

Nach dem lesen des Buches "Im Hause Longbourn", habe ich auch sofort "Stolz und Vorurteil" noch einmal gelesen und diverse Verfilmungen angesehen, so sehr hat mich die Geschichte wieder gefesselt.

Mein Fazit:
Insgesamt ist „Im Hause Longbourn“ eine sehr schöne Geschichte und ein richtig toller Begleiter zu „Stolz und Vorurteil“. Ich werde das Buch bestimmt noch einmal lesen und die ursprüngliche Geschichte nun immer auch durch die Augen der Dienerschaft sehen.
Doch ziehe ich einen Stern ab, für das Anrühren der Originalfiguren und den Teil von Sarah an der Seite der verheirateten Elizabeth.

Vielen lieben Dank an den Knaus Verlag und Katharina Michael, dass ich das tolle Buch lesen durfte!

1 Kommentar:

  1. Als ich das Piktogramm auf meiner Seitenleist gesehen habe, dachte ich du hast tatsächlich wieder so ein tolles viktorianisches Kleid genäht (die, die dir so wahnsinnig gut stehen) ... doch die ausführliche Buchrezession ist auch super gelungen (und vermutlich nicht gaaanz so zeitaufwändig)
    LG Birgit

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